Als am 15. September das Geläut unserer Glocken zu einem Festgottesdienst einlud, geschah das aus besonderem Anlass: Die älteste und größte unserer drei Glocken wurde in diesem Jahr 550 Jahre alt. 1474 von einem Glockengießermeister vor Ort gegossen steht diese Bronzeglocke mit dem stattlichen Durchmesser von 100 Zentimetern für eine wechselvolle Geschichte. Da ihre Entstehung in die Zeit der Übernahme des Dorfes durch die Adelsfamilie von Oppen fällt, die damit auch das Kirchenpatronat erwarb, lässt sich ein Zusammenhang durchaus vermuten. Wahrscheinlich wurde damals dem Kirchenschiff sogar ein Kirchturm hinzugefügt, um eine Glocke dieser Größe unterbringen zu können. Die bei Dorfkirchen unserer Gegend üblichen kleinen Dachtürme wären dafür nämlich ungeeignet gewesen.
Die im Mittelalter gern verwendete Inschrift : „ O REX GLORIE X VENI CUM PACE“, in Übersetzung „O König der Herrlichkeit, Christus; komme mit Frieden“ gab auch unserer Bronzeglocke das Gepräge.
Ihr Geläut begleitete die Fredersdorfer über die Jahrhunderte hinweg in guten wie in schlechten Zeiten, zu freudigen oder ernsten Anlässen. Dass dies bis heute so geblieben bzw. überhaupt wieder möglich geworden ist, grenzt fast an ein Wunder.
Bewegte Vergangenheit
Unsere historische Glocke hat nämlich eine bewegte Vergangenheit aufzuweisen. Wegen Baufälligkeit des Kirchturmes musste sie 1827 ihren angestammten Platz verlassen. Nachdem der Turm weitestgehend abgerissen worden war, konnte sie (und ihre kleineren „Glockenschwestern“) im übrig gebliebenen Turmtorso nur noch gut „mannshoch“ über dem Boden hängen. Obwohl das Geläut unter diesen Umständen nicht überall im Dorf hörbar war, sollte es erst 1859 Abhilfe geben, indem ein neuer Kirchturm gebaut wurde. Als während der Bauarbeiten in unmittelbarer Nähe der Kirche ein Großbrand wütete, blieb diese glücklicherweise verschont. Im neu erbauten Kirchturm, der sich weithin sichtbar höher als sein Vorgänger präsentierte, fanden die Glocken nun einen neuen Platz in luftiger Höhe. Als 1898 ein Blitz in den Turm einschlug, zündete dieser zwar nicht, richtete in der Glockenstube aber Schaden an. Die große Bronzeglocke blieb jedoch unbeschädigt.
Zwei Weltkriege überstanden
Im 20. Jahrhundert forderten schließlich die beiden Weltkriege ihren Tribut. Zur Waffenproduktion blieben selbst Kirchenglocken nicht verschont. Wegen ihres Alters und des schon damals besonderen Wertes wurde unsere große Glocke im ersten Weltkrieg nicht angetastet, während ihre beiden „Schwestern“ abzuliefern waren und später durch Klangstahlglocken ersetzt wurden.
Im zweiten Weltkrieg schien auch das Schicksal unserer großen Glocke besiegelt zu sein, indem das NS-Regime 1940 die Zwangsablieferung aller Bronzeglocken verordnete, um sie einzuschmelzen und kriegswirtschaftlich zu verwerten. Ersatz dafür gab es nicht. Am 1.4.1942 wurde so auch unsere historische Glocke eingezogen. Obwohl eine vertrauliche Rundverfügung „Glockenabnahme-Feiern“ untersagte, hatten die Dorfbewohner zuvor in einem Gottesdienst von ihr Abschied genommen.
Dem Schicksal entgangen
Umso größer war die Freude, als sie 1949 unerwartet wieder heimkehrte. Dem Schicksal des Einschmelzens entgangen, gelangte sie schließlich auf Umwegen völlig unbeschadet zurück an ihren Platz im Turm und konnte Pfingsten 1949 feierlich wieder geweiht werden. Da das genau 75 Jahre zurückliegt, stand jetzt sogar ein Doppeljubiläum an.
Festgottesdienst gefeiert
Insofern erlebten Besucher und Mitwirkende in der „glockenmäßig“- festlich geschmückten Kirche einen von Freude und Dankbarkeit geprägten Gottesdienst, den unsere Pfarrerin gemeinsam mit dem Kantor Winfried Kuntz und dem Kirchenchor gestaltete. Nachdem sogar ein „Fredersdorfer Glockenlied“ erklungen war, gab es im Vortrag von Kantor Kuntz Wissenswertes über Glocken allgemein sowie über die Kunst des Glockengießens zu erfahren. Abgerundet durch Friedrich Schillers „Lied von der Glocke“ ließ sich eindrucksvoll nachvollziehen, in welcher Weise Glocken als Begleiter menschlicher Lebenswege präsent waren und auch heute noch sind.
Nachdem sich die Kirche unter den Klängen der Jubiläums-Glocke geleert hatte, stand im benachbarten Dorfgemeinschaftshaus für alle eine Kaffeetafel mit selbstgebackenen Kuchen bereit.
Im zwanglosen Miteinander klang unser Glockenfest aus, zu dessen Gelingen wieder Viele beigetragen hatten.
(Maria Sternberg)